Niemes 1954

Es schien, als sei die Geistlichkeit nur dazu da, die Gründung von J.Z.D. (jednotné zemědělské družstvo - LPG-Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) und deren Arbeit zu fördern, Resolutionen zu genehmigen, u. dgl. mehr. Das Programm der Versammlungen der Diözesanausschüsse MHKD (Friedensbewegung der katholischen Geistlichkeit) wurde in den Sitzungen des "celostátního MVKD" (gesamtstaatlicher Friedensausschuß der kathol.Geistlichkeit)) bestimmt (Minister Jos. Plojhar) und ging von diesem über die Diözesanausschüsse in die Vikariatsversammlungen, die etwa vierteljährlich stattfanden. An diesen „Vikariatskonferenzen“ nahmen auch die "okresní církevní tajemníci" (kirchliche Sekretäre im Bezirk - Beamten der kommunistischen Staatsverwaltung) teil, und auch der Leitmeritzer Kapitelsvikar Msgre Oliva.


Nach den Referaten folgte die Diskussion. Die Beiträge dazu, vonseiten der Geistlichen, waren oft nur eine Paraphrase zu dem Gehörten, oder Ablesen eines zugehörigen Auszuges aus Zeitungsartikeln, hie und da wurde auch eine aktuelle Frage zur Sprache gebracht. Die Diskussionsredner ließen sich in offizielle Lobredner, solche die sich akkomodierten und vorsichtige Kritiker einteilen. Einzelne Mitbrüder schwiegen beharrlich. Im Großen Ganzen waren diese Konferenzen geprägt von einem phrasenhaften Formalismus, wie er sich auch sonst in Presse, Rundfunk und Versammlungen breit machte.
Als Vikar hatte ich automatisch an den Versammlungen des "diecézního mírového výboru katol. duchovenstva" (diözes.Friedensbewegung der kathol.Geistlichkeit) in Leitmeritz teilzunehmen und dann die Konferenzen des Vikariates B. Leipa zu leiten. Vor deren Abhaltung wurde den Geistlichen des Vikariats das zu behandelnde Thema bekanntgegeben, event. wurden die einzelnen Teilfragen angegeben, zu denen sie diskutieren möchten. Das Hauptreferat hielt meist Msgre Oliva selbst, sonst gewöhnlich der Vikär eines anderen Vikariates. Ich selbst hielt nie das Hauptreferat, sondern lehnte es, dazu aufgefordert, mit Hinweis auf Zeitmangel zur Vorbereitung ab. Nur 2 oder 3 mal sprach ich bei den Vik. Konfer. etwas ausführlicher zu aktuellen Fragen. Im übrigen beschränkte ich mich auf einige Worte zu den einzelnen Diskussionsbeiträgen, die ich oft mit launigen Bemerkungen versah: so z. B. als Admin. Surý (Kováň) über das dortige "vzorné JZD" (blühende LPG) berichtet hatte, dankte ich ihm mit der Bemerkung, daß wir ihn nicht um das blühende JZD beneiden, sondern um die guten Leberwürste, die er bei Gelegenheit von Schweineschlachtungen von seinen Gläubigen bekam. Die Mitbrüder haben immer so etwas zum Lachen. Den tajemníci (Sekretären) machten meine Glossen weniger Spaß.
Okresní církevní tajemník (der kirchliche Sekretär) in B. Leipa war damals Gustav Plíšek, von Beruf Kellner. Als ich erst ca 2 Wochen in Niemes war, erschien er auf der Pfarrei, um, wie er sagte, eine Kastenuhr, die am Dachboden lag, abzuholen. Er brauche sie für seine Kanzlei. Er werde sie herrichten lassen. Da ich gerade zum Zug eilte, um nach Redenitz zur Übergabe der Pfarrei zu fahren (1953), händigte ich ihm die Uhr schnell aus. In seiner Kanzlei sah ich sie aber später nicht. Wie ich nachher erfuhr, machte er auch auf anderen Pfarreien ähnliche Geschäfte. Später mehr darüber.


An Sonntagen der Fastenzeit wurde nachmittag im „Hl. Grab“ am Stadtrande Kreuzwegandacht abgehalten, die sehr besucht war.
Meinem Kollegen Joh. Böhm in Dubnice (Hennersdorf) starben im Laufe des Jahres 1954 die Eltern. Er suchte eine Wirtschafterin. Ich vermittelte ihm Frl. Eva Hanušová, Laienkatechetin in Kaaden, die gerade eine solche Stelle suchte. Er war mit ihr zufrieden, aber Eva war launenhaft und unbeständig. Nach einigen Monaten verließ sie die Pfarrei und übernahm die Lebensmittelverkaufstelle in Dubnice, später zog sie nach Reichenberg, 1975 meldete sie sich wieder brieflich.
Im Herbst 1954 weilte eine slov. Schwester aus der Kongregation der Redemptoristinnen (Annuntiata Fabišiková) zur Behandlung im Lungenheim in Niemes. Ich brachte ihr öfters die hl. Kommunion dorthin, außerdem stets auch irgendeinen Leckerbissen, wie Gebäck, Honig etc. Ihre Mitschwestern arbeiteten, wie sie  selbst sonst auch, in einer Textilfabrik in Schluckenau. Später kam eine Schwester aus dem D. Ritterorden (Sr. Arnolda Nevřelová aus dem Altersheim in Vlčí Pole – deutsch Wischopol) ins Lungenheim. Eine junge Mitschwester, die sie besuchte, übernachtete einmal bei uns auf der Pfarrei. Ich traf diese dann 1973 als Provinzialoberin auf der Pfarrei in Kratzau an, wo seit 1969 ca 10 Schwestern (meist Rentnerinnen) dieser Kongregation einen Konvent bildeten (Sr. Terezie Kubalová). Auch noch eine andere Schwester lag damals im Lungenheim, an deren Aufkommen man zweifelte. Sie kam bald wieder fort, um sich einer schweren Operation zu unterziehen. Wie ich dann (1973) von Sr. Terezie hörte, überstand sie diese glücklich und wurde gesund. Auf Wunsch von Sr. Fabišiková schrieb ich einen humoristischen Einakter, den die Patienten zu Nikolaus aufführten.


In Niemes gab es damals noch ziemlich viele Deutsche unter den Gläubigen. Diese hätten  gern deutschen Gottesdienst gehabt. Herr Franz Scholz, der so nebenbei den Messner machte, sammelte ohne mein Zutun Unterschriften und reichte ein diesbezügliches Gesuch bei staatl. Stellen ein. Vom MNV (Stadtamt) wurde mir dann mitgeteilt, daß das Innenministerium habe das Gesuch abgelehnt, das Státní úřad pro věci církevní (Staatsbehörde für die kirch.Angelegenheiten) aber bewilligt. Von dieser Zeit an wurde dann einmal im Monat am Sonntag außer dem čechischen Gottesdienst auch eine hl. Messe mit deutscher Predigt und Gesang abgehalten. Ich wurde später von Sicherheitsorganen verhört, wie es zu dem deutschen Gottesdienst gekommen sei. Gottesdienste in deutscher Sprache blieben nach dem Krieg ohne Unterbrechung im Erzgebirge, da dort viele Deutsche verblieben, angeblich auf Weisung der russ. Militärbehörden. In Orten mit stärkerem Prozentsatz der Kirchenbesucher wurden deutsche Gottesdienste später wieder eingeführt (Rumburg, Reichenberg, Gablonz u. a.).